Samstag, 21. Januar 2017

Gedankenwelt I


Irgendwann wird Tamsin sich fragen, warum sie all das aufschreibt. Ihre Gedanken, ihre Erlebnisse. Bereits heute schwirrt jene Frage durch ihren Kopf. Tamsin kennt die Antwort. Und diese erfüllt sie mit Kummer. „Ich bin allein. Ich habe niemandem zum Reden. Keine Freunde. Nur die Eltern, aber mit denen gibt es nicht viel zu besprechen. Früher hatte ich die Chats. Aber seit ich erwachsen bin und dementsprechend auch mit Erwachsenen schreibe, macht chatten keinen Spaß mehr. Diese Chatter wollen immer nur über das eine schreiben. Wie ätzend! Etwas aufzuschreiben ist, als würde man ein Gespräch führen. Etwas erzählen. Nur, dass man nicht weiß, wer zuhört und, dass es keine Antwort darauf gibt. Trotzdem, das Gefühl ist irgendwie… befriedigend. Man muss seine Gedanken loswerden, sonst ziehen sie immer weiter ihre Kreise, lassen einen nie los, kehren immer wieder zurück.“ Tamsin versucht, diese Momente, in denen sie sich leer und verloren fühlt, zu verdrängen. Fernsehen lenkt ab. Vertreibt diese Gedanken, auch wenn stets in Reichweite bleiben, nur darauf warten, Tamsins Geist mit melancholischer Düsternis zu erfüllen. Zwölf Jahre ist es nun schon her, seit sie die Stadt verlassen und aufs Dorf gezogen sind; sie und ihre Eltern. Damals war sie sechzehn. Der achtzehnte Geburtstag war der letzte, den sie mit einer Person verbracht hatte, die nicht zu ihrer Familie gehört. Seither ist sie allein. Und die Tatsache, dass sie es zwölf Jahre lag nicht geschafft hat, ihr Leben Lebenswert zu gestalten, lässt sie vermuten, dass sie es auch in Zukunft niemals schaffen wird.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen