Sonntag, 29. Januar 2017

Chunibyo

Derweil schaut Tamsin eine Serie, in der es um die fiktive japanische Schülerkrankheit namens Chunibyo geht. Es bedeutet sozusagen, in einer Traumwelt zu leben, in der alles so geschieht, wie man es gerne möchte. Dies erinnert Tamsin an ihre damalige Schulzeit. In ihrer Grundschulzeit gab es Phasen, in denen sie die Pausen oft alleine verbracht hatte. Ja, oft hat sie mit anderen Schülern auch Hoch- oder Rot-Ticker gespielt, aber Tamsin weiß noch, dass es eine lange Zeit gab, in der sie in der Pause immer nur an derselben Stelle auf einem Gully mitten auf dem Schulhof stand und die Möwen beobachtet hatte. Viele davon zogen ihre Bahnen über das Gelände, suchend nach Brot und anderem Essen, dass die Schüler achtlos herunterfallen gelassen haben. Während der Beobachtung hat Tamsin sich immer einzelne Vögel rausgesucht und sich dabei vorgestellt, sie würde sie steuern. Wie ein Modellflugzeug. „Die Pausen waren langweilig und schienen immer eine ganze Ewigkeit anzudauern. Ich brauchte halt etwas, um mich abzulenken.“ Und das funktionierte.
Auch in späteren Zeiten hat sie die Realität nie wirklich ernst genommen. Sie mochte Fantasy-filme und wünschte sich, die Welt wäre, wie dort. 
 
Eine Klassenkameradin hatte ihr einmal gesagt, Tamsin lebe in einer „Traumwelt“, aus der sie aufwachen müsse. Es hat über zehn Jahre gebraucht, bis ihr bewusst wurde, dass das Mädchen damit Recht hatte. Doch Tamsin weigert sich aufzuwachen. Die Realität ist niederschmetternd. „Ich weiß, dass ich arm dran bin. Keine Arbeit, keine Freunde, aber dafür tausend Ängste, die mich in den Schatten fesseln.“ Würde sie sich bemühen, sich dieser Realität immer und überall bewusst zu sein, würde sie womöglich darüber verrückt werden.

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