Regen und Sturm. Wäre es
nur ein wegen frostiger, würde sich die niederprasselnde Nässe in
ein himmlisch katastrophales Schneechaos verwandeln. Tamsin würde
lügen, würde sie behaupten, wie entsetzlich sie so etwas fände.
Zugeschneite Straßen. Der Verkehr lahmgelegt. Auch wenn sie kein Fan
von Eiseskälte ist, ein kleines Schneechaos mit meterhohen
Schneewehen, die sich an den Straßenrändern auftürmen, dahinter
eine strahlend weiße Winterlandschaft, das gehört zu Winter und
Weihnachten einfach dazu!
Tamsin hat eine neue
Animeserie entdeckt. Sie liebt es, den Abend mit Animes zu
verbringen. „Sie sind so bunt und lustig, verrückt und spannend.
Manchmal auch brutal, aber das macht sie nicht weniger sehenswert.“,
findet Tamsin. Jetzt, wo sie nichts mehr um die Ohren hat, niemandem
zu Reden hat und den ganzen Tag über alleine ist, sind die
abendlichen Animestunden ein echtes Highlight, auf dass sie sich
bereits am frühen Morgen freut. „Meine ehemalige Dozentin, die
selbst kein Fernsehgerät besitzt, weil heutzutage sowieso nur noch
Trash im TV gezeigt wird, hat immer gesagt, man soll sich nicht so
sehr davon berieseln lassen und mit den Gedanken dabei sein; die
Sendungen verfolgen, es aber nicht einfach alles in sich aufnehmen,
sondern darüber nachdenken, es verarbeiten und auch mal Dinge
hinterfragen.“ Tamsin macht genau das Gegenteil. „Wenn ein Anime
anfängt, hört die Realität auf. Ich denke nicht. Ich akzeptiere.
Ich versuche bewusst, in dieser Welt zu versinken.“ In einer
anderen Welt, die nichts existiert. Einer besseren Welt als Tamsins.
„Momentan schaue ich Seraph of the End. Eigentlich mag ich keine
Sendungen, in denen es um Krieg und Kämpfe geht. Aber diese Sendung
hat mich mit ihrer Story und den Charakteren, die sich hassen und
verraten und doch füreinander einstehen, in ihren Bann gezogen. Bis
Staffelende habe ich noch drei Folgen nach. Ich gestehe, ich freue
mich darauf fast schon mehr, als auf den Weihnachtsabend.“
„Weihnachten ist heute
nicht mehr, was es früher war. Ja, am Familienfest hat sich nichts
geändert, es gibt Kaffe und Kuchen und Abends Geschenke.“ Aber,
wie Tamsin findet, steht Weihnachten in dieser modernen Zeit mehr für
Konsum und Profit. Es fängt schon bei dem Glühwein an – vier Euro
für eine kleine Tasse. Für das Geld bekommt man im Geschäft schon
zwei große Flaschen. Geschäfte freuen sich, wie groß der Umsatz
ist. Alle wollen teure, große Geschenke.
Dabei kann man das
wertvollste Geschenk, glückliches Beisammensein, für kein Geld
kaufen.
Es gibt Menschen, die
sind an Weihnachten alleine. Tamsin ist froh, bei Verwanden feiern zu
können, wenn auch sie die alten Zeiten, in denen sie nicht nur ihre
Oma sondern auch ihre Tante besuchte, vermisst. „Damals, ich denke,
ich war ca. fünf Jahre alt, waren es noch große Feste. Jemand, von
dem ich heute nicht mehr weiß, wer er eigentlich war, hat immer auf
der Ziehharmonika gespielt. Es gab jedes Jahr Wurst mit
Kartoffel/Nudelsalat, was ich nicht mochte. Dabei mag ich Wurst.
Wahrscheinlich hat es mich nur geärgert, dass es jedes Jahr dasselbe
gab. Als ob es sonst nichts anderes gäbe. Naja, immer, als mir
langweilig wurde, bin ich unter dem Tisch gekrabbelt und habe den
Leuten die Schuhe aufgemacht, die Bänder zusammengebunden. Ärger
gab es nie. Ich fands Lustig. Als Kind darf man so viel... Später
hatte ich einen Gameboy bekommen, mit dem ich einen großen Teil
meiner Kindheit verbracht habe!“ Die Feste bei ihrer Oma sind ganz
anders. Kinder schreien, sind albern. Es wird geraucht, ohne
Rücksicht auf Nichtraucher.
Und, wie wars?
„Da wir Nachmittags noch Besuch hatten, hatte sich der Aufbruch um
zwei Stunden nach Hinten verschoben. Wir haben das Kaffeetrinken
verpasst. Schade, dass es diesmal echt gute Torte gab! Die hatten
sich schon gewundert, wo wir denn blieben. Als wir ankamen ging es
direkt mit der Bescherung los. Ich habe alles gefilmt. Als
Erinnerung. Das tue ich immer. Irgendwann in den nächsten
Jahrzehnten werde ich ihnen diese Aufnahmen vorspielen. Nach dem
Geschenke-verteilen – ich vermisse die Zeiten, als ich noch Kind
war und mich über Unmengen von Spielzeug freuen durfte, auch wenn
ich gestrickte Socken inzwischen ebenfalls zu schätzen weiß – gab
Es Abendessen. Nudelsalat mit Würstchen. Welch eine Ironie, da ich
zuvor noch darüber nachgedacht habe, wie wenig mich dieses typische
Standartessen begeistert. Richtig lustig wurde es, als wir daheim
nochmal Bescherung gemacht hatten. Es gab Sekt und wie üblich jede
Menge Schokolade. Inzwischen habe ich hier ca. 10 Schachteln Pralinen
rumliegen. Nach dem Sekt gab es noch Rotwein. Bereits vor dem ersten
Glas wusste ich, dass dies keine gute Idee sein würde. Aber es ist
Weihnachten, da darf man das. Viel gibt es nicht mehr zu berichten.
Wir saßen da, haben uns unterhalten und dabei ständig einen
Musiksender gesucht, der Weihnachtslieder spielt, da kein
funktionsfähiger CD Spieler verfügbar war. Währenddessen begann
die Welt sich immer schneller um mich herum zu drehen. Und das meine
ich wortwörtlich. Eigentlich hatte ich geplant, meine Animes weiter
zuschauen, doch da ich nicht einmal mehr gerade gehen konnte und mir
bewusst war, dass ich in diesem zustand keine der dort preisgegebenen
Informationen in mich aufnehmen konnte, bin ich prompt müde ins Bett
gefallen. Dort lag ich noch eine ganze Weile wach, gepackt vom
Schwindel. Dieses Gefühl verfolgte mich noch bis spät in die Nacht
hinein. Ohje.“
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