Samstag, 24. Dezember 2016

Stürmische Weihnachten

 
Regen und Sturm. Wäre es nur ein wegen frostiger, würde sich die niederprasselnde Nässe in ein himmlisch katastrophales Schneechaos verwandeln. Tamsin würde lügen, würde sie behaupten, wie entsetzlich sie so etwas fände. Zugeschneite Straßen. Der Verkehr lahmgelegt. Auch wenn sie kein Fan von Eiseskälte ist, ein kleines Schneechaos mit meterhohen Schneewehen, die sich an den Straßenrändern auftürmen, dahinter eine strahlend weiße Winterlandschaft, das gehört zu Winter und Weihnachten einfach dazu!
Tamsin hat eine neue Animeserie entdeckt. Sie liebt es, den Abend mit Animes zu verbringen. „Sie sind so bunt und lustig, verrückt und spannend. Manchmal auch brutal, aber das macht sie nicht weniger sehenswert.“, findet Tamsin. Jetzt, wo sie nichts mehr um die Ohren hat, niemandem zu Reden hat und den ganzen Tag über alleine ist, sind die abendlichen Animestunden ein echtes Highlight, auf dass sie sich bereits am frühen Morgen freut. „Meine ehemalige Dozentin, die selbst kein Fernsehgerät besitzt, weil heutzutage sowieso nur noch Trash im TV gezeigt wird, hat immer gesagt, man soll sich nicht so sehr davon berieseln lassen und mit den Gedanken dabei sein; die Sendungen verfolgen, es aber nicht einfach alles in sich aufnehmen, sondern darüber nachdenken, es verarbeiten und auch mal Dinge hinterfragen.“ Tamsin macht genau das Gegenteil. „Wenn ein Anime anfängt, hört die Realität auf. Ich denke nicht. Ich akzeptiere. Ich versuche bewusst, in dieser Welt zu versinken.“ In einer anderen Welt, die nichts existiert. Einer besseren Welt als Tamsins. „Momentan schaue ich Seraph of the End. Eigentlich mag ich keine Sendungen, in denen es um Krieg und Kämpfe geht. Aber diese Sendung hat mich mit ihrer Story und den Charakteren, die sich hassen und verraten und doch füreinander einstehen, in ihren Bann gezogen. Bis Staffelende habe ich noch drei Folgen nach. Ich gestehe, ich freue mich darauf fast schon mehr, als auf den Weihnachtsabend.“
„Weihnachten ist heute nicht mehr, was es früher war. Ja, am Familienfest hat sich nichts geändert, es gibt Kaffe und Kuchen und Abends Geschenke.“ Aber, wie Tamsin findet, steht Weihnachten in dieser modernen Zeit mehr für Konsum und Profit. Es fängt schon bei dem Glühwein an – vier Euro für eine kleine Tasse. Für das Geld bekommt man im Geschäft schon zwei große Flaschen. Geschäfte freuen sich, wie groß der Umsatz ist. Alle wollen teure, große Geschenke.
Dabei kann man das wertvollste Geschenk, glückliches Beisammensein, für kein Geld kaufen.
Es gibt Menschen, die sind an Weihnachten alleine. Tamsin ist froh, bei Verwanden feiern zu können, wenn auch sie die alten Zeiten, in denen sie nicht nur ihre Oma sondern auch ihre Tante besuchte, vermisst. „Damals, ich denke, ich war ca. fünf Jahre alt, waren es noch große Feste. Jemand, von dem ich heute nicht mehr weiß, wer er eigentlich war, hat immer auf der Ziehharmonika gespielt. Es gab jedes Jahr Wurst mit Kartoffel/Nudelsalat, was ich nicht mochte. Dabei mag ich Wurst. Wahrscheinlich hat es mich nur geärgert, dass es jedes Jahr dasselbe gab. Als ob es sonst nichts anderes gäbe. Naja, immer, als mir langweilig wurde, bin ich unter dem Tisch gekrabbelt und habe den Leuten die Schuhe aufgemacht, die Bänder zusammengebunden. Ärger gab es nie. Ich fands Lustig. Als Kind darf man so viel... Später hatte ich einen Gameboy bekommen, mit dem ich einen großen Teil meiner Kindheit verbracht habe!“ Die Feste bei ihrer Oma sind ganz anders. Kinder schreien, sind albern. Es wird geraucht, ohne Rücksicht auf Nichtraucher.
Und, wie wars?
„Da wir Nachmittags noch Besuch hatten, hatte sich der Aufbruch um zwei Stunden nach Hinten verschoben. Wir haben das Kaffeetrinken verpasst. Schade, dass es diesmal echt gute Torte gab! Die hatten sich schon gewundert, wo wir denn blieben. Als wir ankamen ging es direkt mit der Bescherung los. Ich habe alles gefilmt. Als Erinnerung. Das tue ich immer. Irgendwann in den nächsten Jahrzehnten werde ich ihnen diese Aufnahmen vorspielen. Nach dem Geschenke-verteilen – ich vermisse die Zeiten, als ich noch Kind war und mich über Unmengen von Spielzeug freuen durfte, auch wenn ich gestrickte Socken inzwischen ebenfalls zu schätzen weiß – gab Es Abendessen. Nudelsalat mit Würstchen. Welch eine Ironie, da ich zuvor noch darüber nachgedacht habe, wie wenig mich dieses typische Standartessen begeistert. Richtig lustig wurde es, als wir daheim nochmal Bescherung gemacht hatten. Es gab Sekt und wie üblich jede Menge Schokolade. Inzwischen habe ich hier ca. 10 Schachteln Pralinen rumliegen. Nach dem Sekt gab es noch Rotwein. Bereits vor dem ersten Glas wusste ich, dass dies keine gute Idee sein würde. Aber es ist Weihnachten, da darf man das. Viel gibt es nicht mehr zu berichten. Wir saßen da, haben uns unterhalten und dabei ständig einen Musiksender gesucht, der Weihnachtslieder spielt, da kein funktionsfähiger CD Spieler verfügbar war. Währenddessen begann die Welt sich immer schneller um mich herum zu drehen. Und das meine ich wortwörtlich. Eigentlich hatte ich geplant, meine Animes weiter zuschauen, doch da ich nicht einmal mehr gerade gehen konnte und mir bewusst war, dass ich in diesem zustand keine der dort preisgegebenen Informationen in mich aufnehmen konnte, bin ich prompt müde ins Bett gefallen. Dort lag ich noch eine ganze Weile wach, gepackt vom Schwindel. Dieses Gefühl verfolgte mich noch bis spät in die Nacht hinein. Ohje.“

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