Samstag, 17. Dezember 2016

Einkaufsirrsin




Tamsin hat einen ungewöhnlichen, aber langweiligen Samstag hinter sich. Die Hälfte des Tages verbrachte sie damit, ihren alten Computer wiederherzurichten. Sowas macht sie gerne. Der Raum, in dem er steht war unbeheizt. Die Wärme des Gasofens reichte kaum bis dorthin. Die Fenster sind alt und undicht, die Wände schlecht isoliert. Ihr Dad hatte im Garten Feuer gemacht, und als der Wind sich drehte, zog der Rauch durch die winzigen Ritzen, durch die stets allerlei Getier; Asseln, Spinnen eindringen direkt in Tamsins Nase. Aber davon hatte sie sich nicht vertreiben lassen.
Zur Abendstunde überkam sie wieder ein Anflug von Langeweile. Die Abende verlaufen stets gleich. Fernsehen, Essen, Schlafen. Außer in der Weihnachtszeit. Wie üblich hat sie sich mit ihren Eltern zu einem Weihnachtsmarkt aufgemacht. Der Glühwein dort war nicht sehr berauschend. Im Anschluss haben sie sich zum Sushiladen aufgemacht. Unerwarteter Weise klebte über der großen Speisekarte an der Wand wieder ein Zettel mit der Aufschrift: Heute kein Sushi! „Ich glaube, der hängt da jeden Tag!“, so Tamsins missvergnügte Vermutung. Warum können die nicht einfach schreiben „Den ganzen Winter über kein Sushi“, wenn es doch so ist!?
Nunja, im Anschluss dessen gab ihr Dad seiner Gewinnspiellust nach; dem vermutlich einzig wahren Grund, weshalb sie überhaupt losgefahren sind. „Außerdem brauche ich noch eine Schokolade.“, so ihr Dad. „Und du, reg dich nicht immer so auf. Es ist nett von uns, dass wir dich zum Einkaufen mitnehmen.“, versuchten sie, die in Lucy aufwallende Wut darüber, dass sie auf der Rückbank im Auto festsaß und keine Wahl hatte, als sich wieder zum Einkaufsladen mitschleifen zu lassen, zu beschwichtigen. „Du kannst dir ja auch eine Schokolade aussuchen.“
Natürlich brauchte Lucy keine Schokolade. Davon hatte sie selbst noch drei Packungen rumliegen. Und sie will doch abnehmen. Lucy versteht es nicht. So viel Ärger. Nur wegen Schokolade und einem Gewinnspiel, bei dem er sich nur aufregt, dass er nichts gewinnt. „Man muss nicht jeden Tag in den Supermarkt. Erst recht nicht wegen jeder Kleinigkeit. Man kann auch alles auf einmal kaufen; so schnell werden Lebensmittel heutzutage nicht mehr schlecht.“, findet Lucy, die sich darüber ärgert, dass ihnen so etwas offenbar immer einfällt, wenn sie dabei ist. „Wenn ich einkaufe, dann auch immer genug, dass ich nicht morgen schon wieder losmuss! Fleisch, Wurst, Obst und schnell Verderbliches für die folgenden Tage. Nudeln und Tiefkühlnahrung für die Zeit darauf.“ Wäre Lucy unabhängig, würde sie es nicht anders machen. „Die Wut verändert mich. Ich fühle es. Sie stärkt mich. Einerseits habe ich Angst vor dem, was sie aus mir macht. Andererseits begrüße ich diese Veränderung.“ Tamsin würde nie in der Öffentlichkeit fluchen. Scham überkommt sie, wenn sie nur daran denkt. Sie ist höflich, nett und legt großen Wert auf Manieren. „Es ist, als würde eine Kette reißen. Ich hasse es, den Zwängen meiner Eltern ausgesetzt zu sein, und wenn es passiert, dann ist mir alles egal. Wenn sie erst behaupten, nicht einkaufen zu müssen, weil sie genug zu essen haben und es dann doch tun, dann… ja dann ist es auch nicht meine Schuld.“

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