Tamsin hat einen ungewöhnlichen, aber langweiligen Samstag
hinter sich. Die Hälfte des Tages verbrachte sie damit, ihren alten Computer
wiederherzurichten. Sowas macht sie gerne. Der Raum, in dem er steht war
unbeheizt. Die Wärme des Gasofens reichte kaum bis dorthin. Die Fenster sind
alt und undicht, die Wände schlecht isoliert. Ihr Dad hatte im Garten Feuer
gemacht, und als der Wind sich drehte, zog der Rauch durch die winzigen Ritzen,
durch die stets allerlei Getier; Asseln, Spinnen eindringen direkt in Tamsins
Nase. Aber davon hatte sie sich nicht vertreiben lassen.
Zur Abendstunde überkam sie wieder ein Anflug von Langeweile.
Die Abende verlaufen stets gleich. Fernsehen, Essen, Schlafen. Außer in der
Weihnachtszeit. Wie üblich hat sie sich mit ihren Eltern zu einem
Weihnachtsmarkt aufgemacht. Der Glühwein dort war nicht sehr berauschend. Im
Anschluss haben sie sich zum Sushiladen aufgemacht. Unerwarteter Weise klebte
über der großen Speisekarte an der Wand wieder ein Zettel mit der Aufschrift:
Heute kein Sushi! „Ich glaube, der hängt da jeden Tag!“, so Tamsins
missvergnügte Vermutung. Warum können die nicht einfach schreiben „Den ganzen
Winter über kein Sushi“, wenn es doch so ist!?
Nunja, im Anschluss dessen gab ihr Dad seiner Gewinnspiellust
nach; dem vermutlich einzig wahren Grund, weshalb sie überhaupt losgefahren
sind. „Außerdem brauche ich noch eine Schokolade.“, so ihr Dad. „Und du, reg
dich nicht immer so auf. Es ist nett von uns, dass wir dich zum Einkaufen
mitnehmen.“, versuchten sie, die in Lucy aufwallende Wut darüber, dass sie auf
der Rückbank im Auto festsaß und keine Wahl hatte, als sich wieder zum
Einkaufsladen mitschleifen zu lassen, zu beschwichtigen. „Du kannst dir ja auch
eine Schokolade aussuchen.“
Natürlich brauchte Lucy keine Schokolade. Davon hatte sie
selbst noch drei Packungen rumliegen. Und sie will doch abnehmen. Lucy versteht
es nicht. So viel Ärger. Nur wegen Schokolade und einem Gewinnspiel, bei dem er
sich nur aufregt, dass er nichts gewinnt. „Man muss nicht jeden Tag in den Supermarkt.
Erst recht nicht wegen jeder Kleinigkeit. Man kann auch alles auf einmal
kaufen; so schnell werden Lebensmittel heutzutage nicht mehr schlecht.“, findet
Lucy, die sich darüber ärgert, dass ihnen so etwas offenbar immer einfällt,
wenn sie dabei ist. „Wenn ich einkaufe, dann auch immer genug, dass ich nicht
morgen schon wieder losmuss! Fleisch, Wurst, Obst und schnell Verderbliches für
die folgenden Tage. Nudeln und Tiefkühlnahrung für die Zeit darauf.“ Wäre Lucy
unabhängig, würde sie es nicht anders machen. „Die Wut verändert mich. Ich
fühle es. Sie stärkt mich. Einerseits habe ich Angst vor dem, was sie aus mir
macht. Andererseits begrüße ich diese Veränderung.“ Tamsin würde nie in der Öffentlichkeit
fluchen. Scham überkommt sie, wenn sie nur daran denkt. Sie ist höflich, nett
und legt großen Wert auf Manieren. „Es ist, als würde eine Kette reißen. Ich hasse
es, den Zwängen meiner Eltern ausgesetzt zu sein, und wenn es passiert, dann
ist mir alles egal. Wenn sie erst behaupten, nicht einkaufen zu müssen, weil
sie genug zu essen haben und es dann doch tun, dann… ja dann ist es auch nicht
meine Schuld.“
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