Tamsin
leidet unter der nächtlichen Angewohnheit, ständig zwischen ein-
und drei-Uhr zu erwachen, weil sie auf die Toilette muss. Nun, das
ist nichts Erwähnenswertes – bis auf das, was diese Nacht geschah.
„Inzwischen ist es Morgen. Ich bin mir eigentlich gar nicht mehr
sicher, was das wirklich war. Und doch kann ich nicht leugnen, dass
es nicht real gewesen sein konnte. Jedenfalls war es verdammt
seltsam! Wie gewohnt öffnete ich beiläufig auf dem Weg zur Toilette
mein Fenster. Das tue ich immer, weil ich mit frischer Nachtluft
besser einschlafen kann. Gerade setze ich mich, da vernehme ich ein
unerwartetes Geräusch. Es klang wie das traurige Singen zweier
fünfjähriger Kinder. Es ist nichts besonderes, Stimmen von der
Straße zu hören. Aber um 2:44Uhr Nachts? Zudem waren die Stimmen
besonders laut, als ob sie direkt auf dem Hof vor meinem Fenster
stehen würden. Das wäre natürlich unmöglich – es gibt einen für
Kinder viel zu hohen Zaun und das mit Stacheldraht versehene Tor ist
immer abgeschlossen! - , dennoch springe ich geistesgegenwärtig von
der Toilette auf und stürze zum Fenster, um es zu schließen.
Intuitiv hatte ich Angst, dass jemand bei mir rein sieht oder Kinder
rein klettern. Wie absurd! Denn was für Kinder spielen Nachts auf
fremden Grundstücken?
Prüfend
werfe ich noch einen kurzen Blick nach draußen. Das Hoflicht war
aus. Niemand zusehen. Die Stimmen klangen weinerlich, als ob sie ein
Lied in einer mir unbekannten Sprache sangen. Ein Schaudern überlief
mich. In dem Moment war ich mir todsicher, dass sie es kein Tier sein
konnte. Irritiert und mit klopfendem Herzen habe ich meinen
Toilettengang zu Ende gebracht.
Sobald
ich wieder im Bett lag, schlug mir das Herz immer noch bis zum Hals.
Einige Sekunden höre ich die Stimmen noch von draußen, dann wird
auf einmal alles still. Plötzlich kommt mir die Frage: Waren das
wirklich Kinder? War das überhaupt etwas Menschliches? Viel, was es
sonst gewesen sein könnte, gäbe es nicht. Gänse, Katzen, Rehe,
Hunde... Ich kenne die Laute der Tiere. Vielleicht zwei Katzen, aber
nein, dazu waren die Worte zu ausgeprägt.
Wäre
es ein Tier, wäre das empfindliche Hoflicht angegangen. Das passiert
oft, selbst wenn der Müllsack im Wind schwankt oder eine Katze
vorbeihuscht. Doch da war nichts!
Ich
liege wach und überlege, noch einmal aufzustehen und etwas mit dem
Handy aufzunehmen zu versuchen. Das hätte ich einen Beweis;
Gewissheit, dass es meinem Verstand gutgeht und das wirklich nur ein
bizarrere Tierlaut war.
Heute
verfluche ich meine Feigheit.
Warum
erklang dieses Geräusch ausgerechnet in dem Moment, nach dem ich das
Fenster geöffnet hatte und nachdem nie wieder?
Da
es mir schwerfällt wieder einzuschlafen, nehme ich mein Handy und
google nach nächtlichen, traurigen Kindergesängen. Nichts. Nichts
bis auf den Vorschlag, ich solle nach Signale von Verstorbenen
weitersuchen. Das tat ich.
Um
eines festzuhalten: Ich glaube zu 90% nicht an Geister! Die
Restlichen 10% bestehen aus Unsicherheit, denn es gibt so viele alte
Geschichten vom Übersinnlichen, dass ich kaum glaube, dass die
wirklich alle hundertpro gelogen sein kann. Etwas muss einfach
dahinter stecken!
Menschen,
die an Geister glauben werden von anderen stets für bekloppt
erklärt. Ich selbst suche stets nach einer logischen Erklärung –
für alles. Ich laufe nicht durch die Gegend und behaupte, ich hätte
Stimmen im Kopf oder würde Gespenster hören! Aber etwas war da, und
in mir brodelt die Gier, zu erfahren, was das war!
Ungefähr
zehn Minuten lag ich mit dem Handy im Bett, als plötzlich ein lauter
Knall erklang; als ob jemand ein Holzstück aus dem Stall kraftvoll
gegen die Steinmauer geschleudert hätte. Nun, der Wind hatte
zugenommen. Dennoch versetzte dies meinem Herzen einen weiteren
Sprung.
Und
während ich das Bild zweier auf dieser Welt gefangener, verstorbener
Seelen aus meinem Kopf verdränge, kommen mir andere Erklärungen in
den Sinn. Doch die sind ebenso Absurd.“
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen