Dieser
Tag begann bereits mit starken Halsschmerzen. Unbehaglich macht sie sich auf
den Weg in ihre Maßnahme, die, Seite ihre Chefin nichtmehr da ist, kaum noch
große Freude bereitet. Dort pünktlich um 8 angekommen, wurde gewartet bis es
kurz vor 9 Uhr war. „Wir haben gewartet. Eine Kollegin, die ebenfalls als
Neustadt kommt darf immer eine Stunde später kommen, und ja, wir haben
gewartet, bis ihr Bus da war, dann sind wir losgefahren, um sie an der
Haltestelle abzuholen, an der ich ebenfalls aussteige und dann sind wir
weitergefahren in die andere Maßnahme. Im dortigen Friseurbereich sollte heute
das Umstyling stattfinden.“ Warum nicht direkt allen gestattet wurde, später
einzutreffen und Tamsin mit der Kollegin abgeholt werden konnte, ist wohl eines
der sagenumwobenen JOBB-Geheinisse.
Auf
dem Weg spürt Tamsin, wie ihr Wohlbefinden spürbar nachlässt. Drückender
Kopfweh. Übelkeit. Zittern. Halsschmerzen! Die anderen Kollegen merken es, die
Anleiter dagegen nicht. „Ich wollte nur noch ins Bett!“
Zu
Tamsins Glück, falls man das so nennen konnte, hatte Frau Ti, die Anleiterin,
die Termine vertauscht! Das Umstyling findet erst nächste Woche statt! Und so
fuhren sie, wie sie gekommen waren, wieder zurück. – Naja, zuvor wurden neue
Kittel ausgesucht. Tamsin hatte sich über die Flecken beklagt, weil die Kinder
sie deswegen ausgelacht haben. „So einen schönen Kittel hätte ich auch gerne.“,
hatte ein Mädel ironisch gemeint. Aber da es eine Harz4 Maßnahme ist und jeder
Cent ein Cent zu viel ist, werden keine Neuen gekauft, sondern aus der Anderen
Maßnahme welche rüber geholt. Wenigstens die waren sauber.
„Tamsin
ist gar nicht so dick.“, meinte bei der Anprobe eine Kollegin, als Tamsin
äußert, eine besonders große Größe zu benötigen. Das wundert sie. Die Frau ist
sehr ehrlich und sagt den Dicken gerne offen ins Gesicht, dass sie dick sind.
Diese hingegen sind dann verärgert. Dass sie Tamsin dünn findet, ist
erstaunlich.
Wieder
angekommen, war natürlich erstmal Pause. Den Kopf auf die Hände gestützt, grübelt
Tamsin nach. Die anderen Kollegen wirken besorgt, raten ihr, heimzufahren, zum
Arzt zu gehen, doch die Anleiter bleiben weiterhin ignorant. Nehmen sie nicht
ernst. „Letztes Jahr bin ich in diesem Zustand mit der Gruppe um den See
gelaufen.“ Jeder Atemzug brennt wie Feuer, besonders beim Gehen. Tamsin
erwähnt, dass sie wegen der Halsschmerzen heute nicht mitlaufen kann/mag. „Das
ertrage ich kein zweites Mal!“ Tamsin war nie aufsässig, doch allmählich hat
sie es satt, ständig Dinge zu tun müssen, die sie hasst. Vor allem, wenn diese
ihr Schmerzen bereiten. „Schmerzfreiheit ist mir wichtiger als Geld und es war
mir herzlich egal, wenn ich wegen Arbeitsverweigerung dem Jobcenter gemeldet
werden würde.“ Auf andere wird so viel Rücksicht genommen!
„Was haben die Füße mit der Nase zu tun?“,
erwiderte Frau Ti schnippisch. „Du kannst gehen; du atmest doch nicht mit den
Füßen!“
Wieder vergrub Tamsin ihr Gesicht hinter
ihren Händen, damit niemand die Träne bemerkt, die ihr bei diesem dummen Spruch
aus den Augen quoll. Sie hat keine Lust auf eine sinnlose Diskussion, wieso ihr
der Hals beim scharfen Einatmen der kühlen Luft wie Feuer brennt und schweigt. Obwohl
die Frau recht nett ist, hat Tamsin manchmal das Gefühl, nur ein Fußabtreter zu
sein. „Ja sie ist nett, aber wenn es um die Befolgung von Regeln und
Anweisungen geht, kennt sie keine Gnade!“
Nachdem
die Kollegen es nochmals ansprechen, darf Tamsin ihren Dad anrufen, damit er
sie zum Doc fährt. Mit dem Bus würde es zu lange dauern und zudem mag sie nicht
so weit laufen.
Lange
warten musste sie beim Arzt nicht. „Man, was war ich erleichtert, dass ich
krankgeschrieben wurde!“
Tamsin
ist nun dennoch froh, dass alles so gekommen ist wie es sollte und dass sie
nicht stillschweigend mit der Gruppe die Bewegungsrunde mitgemacht hat. Denn
nach so einem Marsch wäre sie vollkommen am Ende! „Ich war nie aufsässig. Tue
Anweisungen stets befolgen wie ein Treudoofer Hund.“ Schmerz ist eine Grenze,
die Vernunft übersteigt.
„Manchmal
fühle ich mich wie eine Sklavin, die nur Anweisungen befolgen muss, keinen
eigenen Willen hat und deren Worte nichts als kalte Luft sind.“ Ihr ganzes
Leben lang musste sie immer wieder tun, was sie hasst. In einer Küche arbeiten.
Stehen – Schmerzen ertragen. Nun in den Kiosk. Die wenigen Glücksmomente, wie
die 3 Jahre bei BQOH, erscheinen ihr wie eine winzig kleine Eintagsfliege.
Andere
Verweigern sich und kommen damit durch. Nur Tamsin sagt zu allem Ja. „Mir war
es immer wichtig, einen Job zu finden, der mein Leben bereichert!“ Heute wurde
ihr erzählt, dass normale Arbeitslose jeden Job annehmen müssen, egal ob er
ihnen gefällt. Ansonsten drohen Strafen.
Plötzlich
hat Tamsin Angst normal zu werden und wie alle anderen behandelt zu werden.
Ohne Rücksicht auf ihre Ängste, ihren Willen. So ein Leben will sie nicht. „Ich
fühle mich so hoffnungslos! Als ob alles, wofür ich gekämpft habe, umsonst
war.“ Arbeit ist leben, und ein unglückliches Leben ist kein Leben. Aber das
versteht niemand. Alle denken nur an die Regeln und die Bürokratie und wer dumm
ist, nichts kann ist nur ein Fußabtreter der Gesellschaft.
„Ihr
verstehe ja, wenn ich niemals im IT Bereich einen Job bekomme.“ Aber Vollzeit
als Küchenhilfe, Putzfrau oder im Supermarkt zu arbeiten, das wäre kein Leben!
„Andererseits war ich das ganze Leben lang eine Dienerin. Warum sollte es in
Zukunft anders sein?“
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